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„Frisierte
Daten“ –
medizinischer
Alltag
Korrekte
Studien sind rar, falls es sie überhaupt gibt
von
Ulrike Röper
MÜNCHEN
– Sie interessieren sich nicht für die Datenlage? Verständlich!
Doch die Materie birgt enorme Sprengkraft. Außerdem hängt die
Zukunft unserer Medizin daran. Denn: Wer und was seine Wirksamkeit
nicht zahlenmäßig beweisen kann, fällt vom Forschungstisch.
Längst
haben wir uns an randomisierte, doppeltblinde, plazebokontrollierte
Studien mit Multivarianz-Analysen gewöhnt. Ob deren Ergebnisse
aber richtig sind, wissen wir nicht – und können es auch
nicht nachprüfen. Misstrauen ist angesagt, auch bei Veröffentlichungen
in den renommiertesten Fachzeitschriften dieser Welt.
Bevor
eine Studie beginnt, muss deren Ziel definiert werden: Was will
ich nachweisen? Anhand welcher Parameter kann das funktionieren,
und wie viele Probanden brauche ich dazu?
Nun
stellen Sie sich vor, sie haben etliche Jahre Ihres Lebens sowie
die Daten Hunderter von Patienten in solch eine Studie gesteckt
– ganz zu schweigen von finanziellen Mitteln, Verpflichtungen
gegenüber Sponsoren, Kollegen, Universitäts-Oberen –,
werten aus und stellen fest: Nichts!
Spüren
Sie die Panik, die sich in Ihnen breit macht? Da sinnen Sie
schon mit allen Mitteln darüber nach, was sich noch retten lässt:
Bringen vielleicht Zwischendaten – nach vier, acht Wochen
oder einem halben Jahr erhoben – eine klitzekleine Signifikanz?
Dann stürzten Sie sich natürlich darauf, veröffentlichen diese
und lassen die Ein-Jahres-Daten eiskalt unter den Tisch fallen.
Das
gibt es nicht? Doch, und sogar immer wieder!. Die Studie ist
sauber, korrekt durchgeführt und wird selbstverständlich „reviewed“
– das heißt nach Begutachtung durch Fachleute –
veröffentlicht. Wer weiß schon, dass es Ein-Jahres-Daten gibt,
die eine andere Sprache sprechen?
Eine
weitere bewährte Methode, wenn der direkte Wirknachweis versagt:
Sie suchen nach Untergruppen – Diabetiker, unter 43-Jährige
oder 35- bis 40-Jährige.; Irgendwo wird sich schon etwas finden
lassen: Plattfüßige, Einäugige, Haarlose – rechnen, rechnen,
rechnen. Mitunter kommen schöne Ergebnisse dabei heraus. Falls
nicht, können Sie immer noch ein neues Ziel definieren. Das
ist zwar nicht korrekt, bringt Ihnen aber vielleicht ein Ergebnis.
Statt nach der Wirksamkeit könnte man ja nach Nebenwirkungen
Ausschau halten, statt Blutdrucksenkung nach reduziertem Schlaganfall-Risiko,
statt Schmerzreduktion nach Gewichtsabnahme.
So
etwas ist unmöglich? Dann sollten Sie sich einmal die mehr als
20 Studienjahre umfassende United Kingdom Prospective Diabetes
Study (UKPPS) unter die Prüflupe nehmen. Am Ende kam etwas ganz
anderes heraus, als eingangs zu untersuchen war. Und diese hervorragende
Studie hat international neue Maßstäbe in der Diabetiker-Behandlung
gesetzt – so bedeutend, dass sie gleichzeitig in den Fachblätter-Schwergewichten
„Lancet“ und „British Medical Journal“
veröffentlicht wurde.
weitere Informationen zum Thema (CNN und AP 25.10.2002)
weitere Informationen (News England Journal of Medicine
24.10.2002)
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