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Dr.
Kubitschek schrieb einen Leserbrief an die Wochenzeitung
"DIE ZEIT" zu einem Artikel der das Verbot von Stierkämpfen in
Katalonien
kritisiert
mehr dazu
in Wikipedia
Dieser Leserbrief wurde bisher in "DIE ZEIT"
nicht publiziert.
Was ist nur
mit der ZEIT los?
Die ZEIT, das
Zentralorgan für
Gutmenschen, scheint
ausgerechnet auf dem Auge blind zu sein, das die desolate Lage
unserer tierischen Begleiter empathisch und kritisch
beobachten sollte. Dies überrascht, da die Tiere von allen
existierenden Lebewesen unsere Hilfe und unser Mitgefühl
am meisten benötigen, da sie nicht über das geistige
Rüstzeug verfügen, um sich selbst helfen
zu können.
Offenbar ohne die geringsten grundsätzlichen
Bedenken der leitenden Redakteure hat nun (Oktober 2011)
Ronald Düker versucht, den in Spanien noch immer üblichen
Stierkampf in
einem ausführlichen Artikel aus der ethisch-moralischen Schmuddel-Ecke zu
befreien, in die diese
abwegige menschliche Sado-Maso-Verirrung
gehört.
Jetzt endlich
- nachdem die nahezu immer von ungeschickten Tölpeln öffentlich
ausgeführten und von einer verrohten, erregten Menge
konsumierten Stier-Morde (Mord=Tötung,
die besonders grausam
ist und/oder aus niedrigen Beweggründen erfolgt) in Katalonien
vom Gesetzgeber verboten werden,
resümiert der
ZEIT-Autor, dass dieses längst überfällige Verbot Europa in
Zukunft kulturell ärmer machen wird.
Was für eine Aussage......
Nun, wenn dem
tatsächlich so sein sollte, dann macht auch das Verbot der von
scheinheiligen religiösen oder politischen Fanatikern
massenhaft begangenen Morde an unliebsamen Mitbürgern
(Inquisition und Hexenverbrennungen, um nur einige zu
nennen), die blutigen Gladiatoren-Kämpfe
in den Arenen
des alten Rom und der
seit Jahrtausenden in allen Bevölkerungsschichten beliebte
sexuelle Gebrauch der eigenen Kinder die Kultur der jeweiligen
Gruppierungen und Regionen ärmer.
Dazu
kann man nur feststellen, dass das Böse
auch dann böse bleibt,
wenn es eine lange Tradition hat,
vom Volk als gut
empfunden ( sog.
"gesundes Volksempfinden")
und durch ästhetische Überhöhung, Pomp und plüschigen Prunk die
naiven
Menschen einlullt und so leichter
verdaulich gemacht wird.
In diesem
Zusammenhang wäre die Verwendung des positiv besetzten
Begriffs "Kultur" selbst dann die abzulehnende Wortwahl, wenn die
Mehrzahl der Kampfstiere von "Virtuosen" wie dem vom
ZEIT-Autor erwähnten und offenbar aufgrund seiner ungebremsten
Maskulinität bewunderten Jose Maria Manzanares
"elegant und flüssig" umgebracht würden.
Da aber, wie der
Autor selbst zutreffend anmerkt,
49 von 50 Stierkämpfen langweilig, hässlich und/oder
brutal sind, ist es ein bedenkliches Symptom, wenn in der
ZEIT im Zusammenhang
mit dem blutigen Phänomen Stierkampf Begriffe
wie "Kultur, Schönheit und Flüssigkeit"
verwendet werden.
Auch die
kühne Behauptung, dass das durchweg einheimische Publikum einer
Corrida de Toros
den Stier "liebt", der einige Minuten später,
meist wenig flüssig und schön, abgestochen wird,
muss Tierfreunden und Menschenkennern abwegig
erscheinen.
Wer ein
Lebewesen liebt, oder ihm Sympathie und den jedem Lebewesen
gebührenden Respekt entgegenbringt, wird alles ihm Mögliche
tun, um insbesondere von hilflosen Schutzbefohlenen Übel abzuwenden.
Wenn die vor Begeisterung tobenden Besucher von
Stierkämpfen auch ihre
Familienmitglieder ähnlich intensiv lieben wie die für die
Schlachtung bestimmten Stiere, dann
möchte man den Kindern
wünschen, als Waisen
aufzuwachsen.....
Doch im Ernst:
eine unethische, moralisch abzulehnende Handlung wird
nicht dadurch akzeptabel, dass sie sich der Öffentlichkeit
unter Anwendung ästhetisch verführerischer Rahmenbedingen
präsentiert. Tot ist nun mal tot. Aber natürlich gibt es
zahllose Abstufungen - sozusagen Grautöne - des Bösen. So ist es selbstverständlich
schlimm genug, wenn Tiere (halbwegs schmerzfrei)
geschlachtet werden, um dem menschlichen Verzehr
zugeführt zu werden.
Viel schlimmer ist es jedoch, wenn sie im Verlauf einer
mehr oder weniger brutalen Misshandlung und nach zahlreichen
erfolglosen Tötungsversuchen zum Zweck der Volksbelustigung
hingeschlachtet werden.
Die Stierkämpfe der Neuzeit gleichen den im alten Rom
über Jahrhunderte veranstalteten Spielen wie ein Ei dem anderen, bei denen an
manchen Tagen Hunderte von Menschen- und Tieren in den
Arenen brutal
getötet wurden. Auch dies eine über lange Zeit übliche "Kulturleistung", die
der herrschenden Schicht, aber auch dem Volk bekanntlich viel
Freude bereitet hat.
Basis des beklagenswerten
ZEIT-Artikels, und der Akzeptanz des Textes durch die
Redaktion, ist
wahrscheinlich der
leidige, von dem australischen Philosophen Peter Singer
populär gemachte Begriff Speziesismus - wenn man einmal die allgemein zu beobachtenden Verrohung
der Menschen außer Acht läßt. Dieser
ein wenig sperrig anmutende Begriff wurde erstmals 1970 von dem britischen Psychologen
Richard Ryder
verwendet, um einen aus dem
Anthropozentrismus
abgeleiteten Art- oder Spezies-Egoismus oder -zentrismus
auszudrücken (Wikipedia).
Der als
unethisch und unmoralisch abzulehnenden Einstellung also, dass
der Mensch alle und unsere tierischen Begleiter
auf diesem einsamen, durchs Weltall fliegenden Planeten
keinerlei Rechte haben.
Diese bequeme, und wirtschaftlich so lukrative
Einstellung wird allerdings seit vielen Jahren von immer mehr
Menschen in Frage gestellt. Menschen, die sich im Rahmen des
ihnen Möglichen darum bemühen,
selbst ein halbwegs
anständiges Leben zu führen.
Seit
Jahrzehnten steht daher die eigentlich selbstverständliche
Forderung im Raum, den Tieren gewisse unveräußerliche
Grundrechte
zuzugestehen, die sich an ihren jeweiligen intellektuellen
Kapazitäten und ihrer vorhandenen Leidensfähigkeit
orientieren. Diese noch eindeutig zu definierenden Rechte
würden mit Sicherheit Stierkämpfe nicht sanktionieren, da die
Leidensfähigkeit der Stiere - und deren unbedingter
Wille, am Leben zu bleiben - wohl von niemandem
angezweifelt wird.
Leider werden
diese und ähnliche Überlegungen
von Meinungsbildnern wie Ronald Düker offenbar
nicht nur nicht geteilt, sondern auch nicht
ernst genommen - und vermutlich als eher peinliche Phantasien
tutiger und geschwätziger älterer Damen angesehen.
Der Philosoph
Professor Peter Singer verdeutlicht in dem von ihm bereits
Mitte der siebziger Jahre veröffentlichten Buch "Animal
Liberation" in überzeugender Weise, und in Anlehnung an
den Kulturkampf um gleiche Rechte für Frauen, dass an der Forderung
nach jeweils maßgeschneiderten
"Grundrechten" für höhere Tiere kein
ethisch-moralisch akzeptabler Weg vorbei führt.
Singer
erinnerte in seinem weltweit verbreiteten Bestseller daran, dass sich schon im Jahr
1792 die Autorin Mary Wollstonecraft erstmalig
für mehr Rechte für
ihre bis dahin völlig rechtlosen Geschlechtsgenossinnen
einsetzte. Dieser Kampf führte
dazu, dass der letzte Katon der Schweiz
1990 (!) das
Stimmrecht für Frauen einführte.
Nach der
Veröffentlichung der als geradezu ketzerisch empfundenen Ideen
von Mary
Wollstonecraft brach ein Sturm der Entrüstung
los. Zeitgenössische
Meinungsbildner männlichen Geschlechts machten sich unisono
über die Forderungen der Früh-Feministin lustig und zweifelten
den Geisteszustand ihrer Unterstützer an.
Der angesehene
Cambridge-Philosoph Thomas Taylor
kam nach der Lektüre der von Mary Wollstonecraft
zu Papier gebrachten Überlegungen
mit beißender Ironie zu
dem Schluss, dass man
sich mit den Argumenten, mit denen man sich für Frauenrechte
einsetzt, auch für mehr
Rechte für Hunde, Katzen und Pferde stark machen könne.
Für Taylor und seine
erzkonservativen Zeitgenossen - darunter auch viele
einflussreiche Frauen - waren beide Überlegungen der Gipfel einer
weltfremden Absurdität.
Taylors nach
den noch immer geltenden Regeln der Logik abgeleitete, verblüffende
Erkenntnis, dass die gleichen Argumente für die Forderung nach
mehr Frauen- und Tierrechten verwendet werden können,
erweisen sich aus
heutiger Sicht als unbeabsichtigt hellsichtig und überzeugend.
Da dies so
ist, sollten sich die ZEIT-Redakteure und Autoren bei ihrer Arbeit
grundsätzlich nicht nur für die praktische Umsetzung der
Frauenrechte einsetzen,
sondern auch für einen ethisch-moralisch akzeptablen Umgang
mit unseren Begleitern,
den Tieren. Wenn sie dies auch in
Zukunft unterlassen, sollten sie dafür Argumente in die
öffentliche Diskussion einführen, die die logischen
Überlegungen von so unterschiedlichen Denkern wie Thomas
Taylor und Peter Singer nachvollziehbar widerlegen.
Dr. med.
Jochen H. Kubitschek
Arzt und
Wissenschaftsjournalist
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