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Bachstein, Stephanie
Du
hättest leben können
Stefanie
Bachstein ist das Pseudonym einer Mutter, deren Tochter auf
dem Schulweg von einem Auto erfasst und verletzt wird. Noch
im Notarztwagen stirbt die Siebenjährige- nicht an ihren
Verletzungen sondern auf Grund eines simplen aber tödlichen
Fehlers der Notärztin: Sie intubiert fälchlicherweise
nicht in die Luft- sondern in die Speiseröhre, das Kind
muß ersticken. Zu spät bemerkt ein zweiter Notarzt,
der mit dem Rettungshubschrauber kam, den Intubationsfehler.
Der Sauerstoffmangel hat das kindliche Gehirn bereits unwiderruflich
geschädigt.
Diese tragische Kombinaion aus Unfall und Behandlungsfehler
sowie die zähe Aufarbeitung beschreibt die mutige Autorin
im Detaill: den hinhaltenden Widerstand und die Lügereien
am Anfang (das Kind wäre sowieso gestorben); die Versuche
mit Gutachten den Intubationsfehler zu relativieren,der Kampf
mit den Versicherungen, die Fehldarstellungen in der Presse.
Immer wieder versucht S. Bachstein auch, den direkten Dialog
mit der Ärztin, deren Fehler ihrer Tochter das Leben kostete,
um eine Verarbeitung evtl. gar eine Entschuldigung zu hören,
immer wieder scheitert sie hier. Mit großer menschlicher
Reife vermag die Mutter/Autorin die Position der Ärztin
zu verstehen, ihre Gewissenskonflikte, ihr Leid und auch das
ihrer Familie auch zu würdigen. Insofern bricht sie - un
das ist imme noch sehr selten - aus dem einseitig schwarz-weißen
Anklage Denken heraus, das ansonsten die Kunstfehler Prozesse
oft so unsäglich macht. Es wird auch erfahrbar, wie schwer
sich unser Medizinsystem, unsere Krankenhäuser und Kommunen
oft tun, Fehler jemals zuzugeben und wiedergutzumachen. Betroffen
macht es zu lesen, wie lang dieser Weg ist, wieviele Briefe,
Termine, Gutachten, Gegengutachten, teilweise unverschämte
Versicherungsschreiben die Mutter des Kindes einstecken und
durchhalten muß, bis es zu einer Befriedung in der äußeren
und mehr noch der inneren realität kommen kann.
FAZIT:
der Erfahrungsbericht einer Mutter, deren Tochter durch den
Fehler einer Notärztin stirbt. Ein sehr lesenswertes Buch
für alle Beteiligten an einem Kunstfehler!
- Für die Opfer, damit sie sich darauf einstellen, wie
mühsam und lang der Weg zur Gerechtigkeit und Wahrheit
ist;
- Für die Ärzte, damit sie erfahren, wie immens wichtig
es für die Betroffenen ist, daß die Wahrheit gesagt,
zugegeben und akzeptiert wird und daß Ärzte sich
auch entschuldigen.
3-404-61408-1
Bastei Lübbe Verlag, 2002
http://www.aerztegesundheit.de/Rezensionen2/Bachstein-Stefanie.htm
Stefanie
Bachstein
Du hättest leben können
VORWORT
Prof. Dr. med. Thomas H. Loew
Schwerpunkt Psychosomatik
in der Medizinischen Klinik II
der Universität Regensburg
www.psychosomatik-regensburg.de
Ich
will, dass aus dem Tod meiner Tochter Gutes wächst.«
Stefanie Bachstein schrieb eine Geschichte auf, die zunächst
einmal sie selbst berührt. Wie das Leben spielt, werden
sich darin sicher auch andere wiederfinden, einige berührt
sein - und einige sollten berührt werden.
Mit diesem Vorwort möchte ich einen zusätzlichen Rahmen
schaffen, in dem die eigentlichen Worte dann für sich sprechen.
Ich begleite Menschen, die im Spannungsfeld zwischen Patienten,
Angehörigen, Ärzten, Therapeuten und nicht zuletzt
Instanzen, Behörden, Kostenträgem Leidvolles erlebt
haben - ähnlich wie es in diesem Buch beschrieben wird.
Dabei finden sie sich in den unterschiedlichsten Rollen wieder...
die zudem auch im Laufe eines Lebens durchaus wechseln können.
Die Psychosomatische Medizin ist das Fachgebiet, das das Miteinander
- manchmal auch das Gegeneinander - von Leib- und Seele im Blick
hat und mit Mitteln der Psychotherapeutischen Medizin - dem
Sich-einfühlen, dem Verstehen, dem Klären, kurzum
dem Einander-zu-hören, dem Miteinander-sprechen - unterstützt.
Rücksicht und Vorsicht sind in der engeren und weiteren
Bedeutung der Worte dabei ganz wichtig.
Wie in dem Buch richtig beschrieben, können Worte und Handlungen
traumatisieren. Im ärztlichen Alltag gibt es eine Fülle
von Situationen, die in diesem Sinn gefahrenträchtig sind:
das Aufklären über eine lebensgefährliche Krankheit,
die ungenügende Wirksamkeit oder das Versagen medizinischer
Hilfe oder letztendlich auch das Versagen medizinischer Helfer.
Hier ist - setze ich einmal voraus - die Fahrlässigkeit
sicher nicht die Regel. In der Medizin - und hier verstehe ich
mich als Hochschullehrer und Weiterbilder - sind wir meiner
Einschätzung nach schon bemüht, vermehrt unser Augenmerk
auf den Umgang mit diesen Problemen zu richten, und Menschen
wie Stefanie Bachstein helfen uns dabei.
Ich denke, die vorliegende Geschichte zeigt - trotz des Leides,
das wir miterleben können - nicht nur »Ver«-,
sondern auch »Entwirrungs«-Möglichkeiten: das
gute soziale Netzwerk, auf das die Familie Bachstein zurückgreifen
konnte, die begleitende Psychotherapie von Frau Bachstein, die
generelle Bereitschaft aller Beteiligten zu Kontaktaufnahmen
und die Einleitung einer Mediation, die in einem solchen Fall
sicher noch etwas Unübliches ist und auch Mut erfordert.
Tragisch wird es meiner Ansicht in der Situation, in der Worte,
die eigentlich den Menschen eine Hilfe sein sollen - Regelwerke,
Bestimmungen, Mitteilungen - unbedacht ins Spiel kommen, wenn
es denn ein Spiel wäre. Leider ist es trauriger Ernst.
Hier ist noch viel vorausschauendes Denken nötig. Frau
Bachsteins Erzählung setzt uns Zeichen - nicht nur eines
inneren Erlebens, sondern auch einer äußeren Realität,
die uns zu denken geben sollte.
Dafür, und für ihre ungeblümte Offenheit, gebührt
ihr Dank. Wenn ein Herz berührt wird - und das tut diese
Erzählung, wächst zumindest aus der Geschichte des
Todes von Jule sicher etwas Gutes. Mit dem Thema sollte sich
jeder Mediziner einmal bewusst beschäftigen. Das Leben
ist nicht gerecht, immer lebensgefährlich, und wir erleben
es nur manchmal mit Genugtuung ...
http://www.stefanie-bachstein.de/Vorwort.htm
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